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Donnerstag, 5. Mai 2016
Die Seniorin, die wegen eines primitiven Machos beinahe ins Schleudern gekommen wäre
victoria mcjustice, 08:11h
"Falln Se mir aba jetz nich in den Schoß! Dit würd` ick Ihnen echt übel nehmen!", laberte es aus dem ungepflegten Mundwerk meines Gegenübers, dessen Gesichtsausdruck dann auch noch verriet, dass er für diese aberwitzigen Worte geballte schmunzelnde Aufmerksamkeit erwartet... Oh nee, och bitte nicht schon wieder so eine maskuline Intelligenzbestie in den Öffentlichen Berliner Verkehrsmitteln, dachte ich... Die Gedanken sind frei, dachte ich auch noch, aber wenn diese limitierte Persönlichkeit mir gegenüber wüsste, was ich über ihn denke, dann würde sein frisch aufgepumpter Testosteronspiegel sofort auf Null sinken, das steht mal fest...
Man weiß ja nie, wem man so begegnet auf seinem Weg durch seine Heimatstadt oder durch sonstige Gefilde, aber oftmals kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man von Idioten umzingelt ist. (Idiot ist eigentlich nicht politisch korrekt, da Idiotie wirklich eine anerkannte geistige Krankheit ist, aber seit dem ein gewisser Greg mit seinem Tagebuch in den Bestsellerlisten der deutschen Literatur samt Verfilmung aufgetaucht ist, ist das Wort "Idiot" mittlerweile gesellschaftsfähig geworden.) Aber egal wie, ich bin mir sicher, dass meine Leserschaft genau weiß, welcher Art von bildungsferner Schicht (politisch korrekter Fachjargon) ich da gerade in der Straßenbahn begegnet bin...
Jedenfalls saß der blöde Typ, der offensichtlich gerade vom Sport kam, breitbeinig (als hätte er die dicksten Kronjuwelen des männlichen Homo Saphiens ever) in meinem Blickfeld und eine sehr rüstig-sportliche Rentnerin hielt sich mit beiden Händen an so einem Festhalteriemen fest, der sich über ihrem Kopf befand. Die Straßenbahn, die uns alle 3 an diesem Tag von A nach B brachte, machte eine 95-Grad-Kurve, und die Seniorin, die auf soviel Wellengang in einer Tram nicht vorbereitet war, tendierte mit ihrem olympischen Körper Richtung präolympischen Möchtegernsportler - die Szene war echt zum Piepen! Naja - piepen Sie schon mit? Na dann - weiter geht die tolle Fahrt!
Die tapfere Omi am Festhalteriemen kämpfte also um Standfestigkeit. Als sie diese wiedergefunden hatte, murmelte sie nur trocken "Geht schon." Aber Ihr Lieben - das geht nicht, das geht gar nicht! Wo leben wir denn??? Warum bietet denn der Brallo der älteren Dame nicht seinen Sitzplatz an? Oder vielleicht den Sitzplatz seiner abgeranzten Noname-Sporttasche neben ihm? (Dass Taschen heutzutage einen eigenen Sitzplatz in den Verkehrsmitteln brauchen, davon können wir alle ein mehrstrophiges Lied singen - oder?)
Ganz nebenbei bemerkt, schien der Sporttaschenbesitzer auch noch mächtig finanziell gehandicapt zu sein, denn für Körperpflegeprodukte, deren Benutzung es nach dem Sport bedarf, hatte sein Budget offensichlich nicht gereicht! Kennen Sie den Slogan, mit dem momentan eine Firma für Körpersprays wirbt? "Thank you for travelling without Körpergeruch!" Tja, das hätte ich nur zu gern meinem Gegenüber-Fuzzi gesagt, aber war nich... Am Liebsten hätte ich dieses männliche Geruchstrauma auf den Mond geschossen, aber bei der Bestrafung für solch primitives Verhalten vertraue ich auf den Mann, dessen Sohn laut Bibel heute in den Himmel aufgefahren ist...
In der Zwischenzeit versuchte die Frau jedenfalls Haltung zu bewahren. Sie war hochgewachsen, trug schlichte mausgraue und etwas zerknitterte Kleidung und kurze, schüttere, vor Wochen mal rötlich gefärbte Haare. An den Füßen hatte sie ein Schuhmodell aus der gängigen Seniorenkollektion und um die Schulter trug sie einen derben Stoffbeutel mit dem Aufdruck der Landkarte einer Südseeinsel, die in letzter Zeit oft von Tsunamis heimgesucht wurde... Tja, aber egal wie ihre äußere Erscheinung auch war, die Frau hatte tausendmal mehr Respekt und Symphatien von mir als dieser aufgeblasene Volltrottel auf 12 Uhr!
Es sah dann so aus, als würde die Stoffbeutel-Seniorin an der nächsten Haltestelle aussteigen wollen, aber sie hatte sich wohl geirrt - oder der Straßenbahn-Schleudergang inklusive dussliger Bemerkung eines mickrigen Alltags-Machos hatte sie so verwirrt, dass sie nicht mehr wusste, wo sie eigentlich hin wollte. Ich hatte mich schon für die Frau gefreut, dass sie sich von ihrer Misere befreien konnte, aber dann blieb sie doch in der Tram... Hm...
Ich war so sehr damit beschäftigt, dieses Kleinhirn mir gegenüber zu ignorieren (und dafür braucht man oftmals richtig viel Energie), dass ich leider gar nicht auf die Idee kam, der Rentnerin eventuell meinen Platz anzubieten. Auch war ich gedanklich so damit beschäftigt, angekotzt darüber zu sein, was für Menschen diese Gesellschaft so hervorbringt, dass ich selbst nicht angemessen reagieren konnte. Aber ich bin nunmal auch eine Frau, und ich habe als Kind gelernt, dass man(n) Frauen einen Sitzplatz anbietet - und zwar ganz besonders dann, wenn sie schwanger, gebrechlich oder älter sind. Finger hoch, wer dies auch noch so kennt! Sehen Sie!
Die letzten Minuten in der Straßenbahn habe ich dann mit der extremen Anstrengung verbracht, einen unheimlich nichtssagendenden Gesichtsausdruck an den Tag zu legen, damit der Asso mit der Sporttasche genau mitbekommt, wie sehr ich ihn ignoriere und vor allen Dingen, wie ungeheuer bescheuert sein Text war - letzteres habe ich aber wahrscheinlich nicht erreicht... Die Strapazenbahn hielt, wir stiegen alle aus und trotteten unserer Wege... Ich tat einen tiefen Luftzug, kräuselte meine Stirn und wollte das eben Erlebte eigentlich einfach nur aus meinem Kopf kriegen, aber das ist leichter als gesagt...
Mittlerweile verstehe ich auch, warum die Kopfhörer um mich herum immer riesiger werden! In Bus und Bahn trifft man immer mehr Leute an, die überdimensionale Hörmuscheln tragen! Oh ja! Stimmt`s? Aber die Masche ist ziemlich genial und darüberhinaus ist sie heutzutage generationsübergreifend! Offiziell und nach außen gilt man als trendiger Liebhaber irgendeiner Musikrichtung, und inoffiziell möchte man sich aber einfach nur das Gelaber seiner Mitmenschen nicht mit anhören müssen... Ich verweise dezent und beispielhaft auf alle Mutter-Tochter-Gespräche, die mit "Schantalle, ..." anfangen oder so ähnlich klingen wie "Soll ick jetz Dir anrufen oder mir?", oder auch auf die Smalltalks, in denen viel geschworen wird: "Ick schwör`Dir..."
Joah. Nach diesem innerlichen Schleudertrauma ist mein Kopf wieder voller Fragen... Muss ich mir schnellstmöglich Kopfhörer besorgen? Sollte ich mir vielleicht doch ein Auto kaufen, um geistige Hygiene zu praktizieren? Erwarte ich zuviel, wenn ein Mann für eine ältere Frau seinen Sitzplatz verlassen sollte? Trainiert man in den heutigen Fitnessstudios nur noch Körper und nicht mehr Geist? Wo doch in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist stecken sollte... Haben jetzt (Sport)taschen die gleichen Sitzplatzansprüche wie der Mensch selbst? Und überhaupt - wo zum Teufel kommt in einem Land der Dichter und Denker so eine geballte Blödheit her?
Und das ist dann auch noch die Welt, in der ich lebe - erklär`sie mir, ich find`sie nämlich blöd!
Man weiß ja nie, wem man so begegnet auf seinem Weg durch seine Heimatstadt oder durch sonstige Gefilde, aber oftmals kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man von Idioten umzingelt ist. (Idiot ist eigentlich nicht politisch korrekt, da Idiotie wirklich eine anerkannte geistige Krankheit ist, aber seit dem ein gewisser Greg mit seinem Tagebuch in den Bestsellerlisten der deutschen Literatur samt Verfilmung aufgetaucht ist, ist das Wort "Idiot" mittlerweile gesellschaftsfähig geworden.) Aber egal wie, ich bin mir sicher, dass meine Leserschaft genau weiß, welcher Art von bildungsferner Schicht (politisch korrekter Fachjargon) ich da gerade in der Straßenbahn begegnet bin...
Jedenfalls saß der blöde Typ, der offensichtlich gerade vom Sport kam, breitbeinig (als hätte er die dicksten Kronjuwelen des männlichen Homo Saphiens ever) in meinem Blickfeld und eine sehr rüstig-sportliche Rentnerin hielt sich mit beiden Händen an so einem Festhalteriemen fest, der sich über ihrem Kopf befand. Die Straßenbahn, die uns alle 3 an diesem Tag von A nach B brachte, machte eine 95-Grad-Kurve, und die Seniorin, die auf soviel Wellengang in einer Tram nicht vorbereitet war, tendierte mit ihrem olympischen Körper Richtung präolympischen Möchtegernsportler - die Szene war echt zum Piepen! Naja - piepen Sie schon mit? Na dann - weiter geht die tolle Fahrt!
Die tapfere Omi am Festhalteriemen kämpfte also um Standfestigkeit. Als sie diese wiedergefunden hatte, murmelte sie nur trocken "Geht schon." Aber Ihr Lieben - das geht nicht, das geht gar nicht! Wo leben wir denn??? Warum bietet denn der Brallo der älteren Dame nicht seinen Sitzplatz an? Oder vielleicht den Sitzplatz seiner abgeranzten Noname-Sporttasche neben ihm? (Dass Taschen heutzutage einen eigenen Sitzplatz in den Verkehrsmitteln brauchen, davon können wir alle ein mehrstrophiges Lied singen - oder?)
Ganz nebenbei bemerkt, schien der Sporttaschenbesitzer auch noch mächtig finanziell gehandicapt zu sein, denn für Körperpflegeprodukte, deren Benutzung es nach dem Sport bedarf, hatte sein Budget offensichlich nicht gereicht! Kennen Sie den Slogan, mit dem momentan eine Firma für Körpersprays wirbt? "Thank you for travelling without Körpergeruch!" Tja, das hätte ich nur zu gern meinem Gegenüber-Fuzzi gesagt, aber war nich... Am Liebsten hätte ich dieses männliche Geruchstrauma auf den Mond geschossen, aber bei der Bestrafung für solch primitives Verhalten vertraue ich auf den Mann, dessen Sohn laut Bibel heute in den Himmel aufgefahren ist...
In der Zwischenzeit versuchte die Frau jedenfalls Haltung zu bewahren. Sie war hochgewachsen, trug schlichte mausgraue und etwas zerknitterte Kleidung und kurze, schüttere, vor Wochen mal rötlich gefärbte Haare. An den Füßen hatte sie ein Schuhmodell aus der gängigen Seniorenkollektion und um die Schulter trug sie einen derben Stoffbeutel mit dem Aufdruck der Landkarte einer Südseeinsel, die in letzter Zeit oft von Tsunamis heimgesucht wurde... Tja, aber egal wie ihre äußere Erscheinung auch war, die Frau hatte tausendmal mehr Respekt und Symphatien von mir als dieser aufgeblasene Volltrottel auf 12 Uhr!
Es sah dann so aus, als würde die Stoffbeutel-Seniorin an der nächsten Haltestelle aussteigen wollen, aber sie hatte sich wohl geirrt - oder der Straßenbahn-Schleudergang inklusive dussliger Bemerkung eines mickrigen Alltags-Machos hatte sie so verwirrt, dass sie nicht mehr wusste, wo sie eigentlich hin wollte. Ich hatte mich schon für die Frau gefreut, dass sie sich von ihrer Misere befreien konnte, aber dann blieb sie doch in der Tram... Hm...
Ich war so sehr damit beschäftigt, dieses Kleinhirn mir gegenüber zu ignorieren (und dafür braucht man oftmals richtig viel Energie), dass ich leider gar nicht auf die Idee kam, der Rentnerin eventuell meinen Platz anzubieten. Auch war ich gedanklich so damit beschäftigt, angekotzt darüber zu sein, was für Menschen diese Gesellschaft so hervorbringt, dass ich selbst nicht angemessen reagieren konnte. Aber ich bin nunmal auch eine Frau, und ich habe als Kind gelernt, dass man(n) Frauen einen Sitzplatz anbietet - und zwar ganz besonders dann, wenn sie schwanger, gebrechlich oder älter sind. Finger hoch, wer dies auch noch so kennt! Sehen Sie!
Die letzten Minuten in der Straßenbahn habe ich dann mit der extremen Anstrengung verbracht, einen unheimlich nichtssagendenden Gesichtsausdruck an den Tag zu legen, damit der Asso mit der Sporttasche genau mitbekommt, wie sehr ich ihn ignoriere und vor allen Dingen, wie ungeheuer bescheuert sein Text war - letzteres habe ich aber wahrscheinlich nicht erreicht... Die Strapazenbahn hielt, wir stiegen alle aus und trotteten unserer Wege... Ich tat einen tiefen Luftzug, kräuselte meine Stirn und wollte das eben Erlebte eigentlich einfach nur aus meinem Kopf kriegen, aber das ist leichter als gesagt...
Mittlerweile verstehe ich auch, warum die Kopfhörer um mich herum immer riesiger werden! In Bus und Bahn trifft man immer mehr Leute an, die überdimensionale Hörmuscheln tragen! Oh ja! Stimmt`s? Aber die Masche ist ziemlich genial und darüberhinaus ist sie heutzutage generationsübergreifend! Offiziell und nach außen gilt man als trendiger Liebhaber irgendeiner Musikrichtung, und inoffiziell möchte man sich aber einfach nur das Gelaber seiner Mitmenschen nicht mit anhören müssen... Ich verweise dezent und beispielhaft auf alle Mutter-Tochter-Gespräche, die mit "Schantalle, ..." anfangen oder so ähnlich klingen wie "Soll ick jetz Dir anrufen oder mir?", oder auch auf die Smalltalks, in denen viel geschworen wird: "Ick schwör`Dir..."
Joah. Nach diesem innerlichen Schleudertrauma ist mein Kopf wieder voller Fragen... Muss ich mir schnellstmöglich Kopfhörer besorgen? Sollte ich mir vielleicht doch ein Auto kaufen, um geistige Hygiene zu praktizieren? Erwarte ich zuviel, wenn ein Mann für eine ältere Frau seinen Sitzplatz verlassen sollte? Trainiert man in den heutigen Fitnessstudios nur noch Körper und nicht mehr Geist? Wo doch in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist stecken sollte... Haben jetzt (Sport)taschen die gleichen Sitzplatzansprüche wie der Mensch selbst? Und überhaupt - wo zum Teufel kommt in einem Land der Dichter und Denker so eine geballte Blödheit her?
Und das ist dann auch noch die Welt, in der ich lebe - erklär`sie mir, ich find`sie nämlich blöd!
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