Samstag, 21. März 2015
Die Frau, die nach meinem Treppensturz nicht zum versprochenen Haarewaschen kam
Mich hatte es bilderbuchreif ausgehebelt - aber anständig! An einem frühen Samstagmorgen vor jetzt fast 10 Jahren bin ich im Hausflur auf der Treppe gestürzt. In der einen Hand die Mülltüte und in der anderen das Papier für die Recyclingtonne. Ein Abfangen des Sturzes war nicht möglich - mir waren die Hände "gebunden". Es ist - wie vielleicht bekannt - ein gutbürgerliches Mietshaus und es sieht auch sehr mondän aus - ist es aber nicht! Der ausgetretene Sisalteppich auf den Treppenstufen war locker und die Messingstäbe nicht ordentlich verankert, und ich flog in gefühlter Zeitlupe längst zur Körpermitte mit sportlicher Wucht hin... Aber richtig heftig! Wie im Trickfilm! Eine Treppenstufe bohrte sich in mein Kreuz, die andere in die Lende und die dritte in den Allerwertesten! Kennen Sie das? Sie fallen hin - entweder zu Fuß oder auch mit dem Fahrrad - und Sie fragen sich innerlich, wann kommt denn endlich der Aufprall???

Aber der kam! Aber hallo! Und zwar dermaßen heftig, dass er mich sprichwörtlich einen Kopf kürzer gemacht hat - 9. und 10. Wirbel mit Kompressionsfraktur! Die dann fehlenden 6 Millimeter lösten im Endeffekt einen so höllischen Schmerz aus, dass sowohl mein Sportarzt als auch mein Apotheker ziemlich tief in die Tasche greifen mussten - Sie verstehen, was ich meine! Ich war dann zwar schmerzfrei, hatte aber "gefühlte Wortfindungsstörungen" und dachte nur: "Hoffentlich ruft mich keiner an! Ich klinge wahrscheinlich als ob ich frisch von der Hanfernte komme!" Bitte jetzt schmunzeln!

Diese mir auf meinen Geist zu übergriffigen Medikamente habe ich nach 2 Tagen abgelehnt und bin lieber auf die Maximaldosis anderer Schmerzstiller umgestiegen. Fakt ist, so wie oben beschrieben, passierte das Ganze am Wochenende, jede kleinste Bewegung tat atemberaubend und innehaltend weh - ich habe das halbe Leben verflucht und das Treppenhaus sowieso, den Vermieter inklusive! Ich kam also nicht darum herum, nach fremder Hilfe zu fragen für alle notwendigen Dinge des Schmerzlebens...

Gesagt, getan! Am Sonntag bat ich eine Freundin (von Beruf Goldschmiedin und studierte Übersetzerin), die zwei Querstraßen weiter wohnt, ob sie für mich zur Bereitschaftsapotheke gehen könnte. "Muss das sein? Hätte Dir das nicht eher einfallen können?". Innerlich sprachlos, mir aber dennoch bewusst, dass ich - scheiße nochmal!!! - auf fremde Hilfe angewiesen bin, antwortete ich, dass ich auf solche immense Schmerzen nicht vorbereitet war. Es hieß nämlich erst Wirbelprellung als Diagnose - später erst nach dem MRT waren dann die Frakturen erkennbar, und ich dachte, dass meine vorhandenen Schmerzmittel ausreichen. Sie trabte los...

Mir ging es wahrlich hundeelend. Mir!!! Sonst sportlich durchtrainiert, bewegungsfreudig und outdoor-aktiv. Was für eine verdammte Sch...!!! "Du hast mir echt den ganzen Sonntag versaut.", meinte meine "Freundin" als sie von der Apotheke zurückkam. "Ich bin echt völlig ko. War ein strammer Fußmarsch." Das I-Tüpfelchen ihrer schlechten Laune kam aber definitiv von dem Umstand, dass ich gerade kein Bargeld im Haus hatte und die "Sonntagshelferin" das Ganze jetzt auch noch verauslagen musste! Mein Gott! Auch noch mit Geld! Was für ein Elend!

Ich habe mir das nicht ausgesucht. Ich bin nicht aus eigenem Wunsch heraus auf der Treppe gestürzt und habe mir zwei Wirbel angebrochen! In mir drin tobte ein Sturm aus Wut und Traurigkeit - ich hatte aber keinerlei Kraft, der Dame die Leviten zu lesen! Im Gegenteil! Ich hatte mich darauf verlassen, dass ich mich im Notfall auf sie verlassen kann. Aber denkste! Ich war dann verlassen! Und jetzt kam es: da ich mich wirklich kaum bewegen konnte vor Schmerz und schon gar nicht die Arme heben konnte - musste ich diese Straßennachbarin auch noch darum bitten, mir bei der Körperpflege zu helfen! Was für ein Sch...gefühl!

"Könntest Du bitte morgen vorbeikommen und mir beim Haarewaschen helfen? Allein bekomme ich das nicht hin..." Ja. Sie kommt.

Und nein! Sie kam nicht.

Man muss die Enttäuschung, die dahinter steht, nicht großartig in Worte fassen. Aber sie tat weh. Sie tat sehr weh.

Sie müsse jetzt ihre Reisevorbereitungen treffen, erfuhr ich dann per Email und auch per SMS. Schließlich fliegt sie demnächst nach Italien in ihre Zweitwohnung. Dort gäbe es einiges zu tun. Sie kann sich jetzt nicht um mich kümmern.

Aha. Soso. Ich war sprachlos. Ich war wortlos. Ich kämpfte mit Schmerz, Tränen, Enttäuschung und Wut. Als ich dann die richtigen Worte fand, habe ich diese in eine Email gepackt und diese "Freundschaft" ad hoc aufgekündigt. Ich brauche jetzt Hilfe, nicht später! Nicht nach einer Woche Italien! Jetzt eben! Heute! Und zwar zum Haarewaschen...

Gesundheit ist das Wichtigste im Leben! So abgedroschen wie dieser Satz vielleicht auch klingen mag - aber es ist so! Und wenn einem dann in tiefster Krankheit nicht geholfen wird, dann schnürt einem das wahrlich die Kehle zu! Das ist echt bitter...

Hätte ich mir einen anderen Tag zum Treppensturz aussuchen sollen? Hätte ich ihn vielleicht vorher ansagen sollen? Hat sie ein galaktisch hohes Trinkgeld erwartet für den Apothekengang? War es womöglich zuviel verlangt, mir die Haare zu waschen? Ist es jetzt nicht mehr selbstverständlich, seinen Freunden in Notlagen zu helfen? Kommt man nicht mehr von selbst darauf, dass man sichtlich benötigte Hilfe anbietet? Ist das eigene Ausflugsentertainment jetzt wichtiger als die Gesundheit eines Menschen?

Sind "Freunde in der Not" jetzt nicht mehr gängige Moral? Was ist nur los in dieser Welt? Und das ist die Welt, in der ich lebe(n muss)? Erklär` sie mir bitte - ich find` sie nämlich blöd!