Mittwoch, 25. November 2015
Der ungeduldige Bierkäufer, der das Kleingeld nicht achtet, aber im Billigmarkt einkauft
"Jetzt machen `Se mal hin da mit Ihren leppischen 10 Cent!", tottert der nächste Kunde hinter mir an der Kasse des Lebensmittelmarktes. Die freundliche Kassierin hält inne und unterbricht ihren Arbeitsablauf, ich schaue den ungehobelten Einmischer entrüstet an... "Halten Sie sich gefälligst aus meinem Leben raus!", entgegne ich ihm forsch zurück. Ich kann es nämlich auf den Tod nicht leiden, wenn sich jemand Fremdes völlig ungefragt und überflüssig in meinen Tagesablauf einmischt!

Darüberhinaus ist es mein (!!!) hart erarbeitetes Geld, von dem hier die Rede ist, und mit meinem Leben und mit meinem Geld kann ich machen, was allein ich will - stimmt`s Ihr Lieben? Das nennt sich Selbstbestimmung und ist eine prima Sache, die jeder mal probieren sollte! Insbesondere der frustrierte Pöbelfuzzi, der leider nach meinem ersten verbalen Stopschild immer noch nicht verstanden hatte, dass er einfach mal die Klappe zu halten hat...

"Ich misch`mich ja gar nicht ein," meinte dieser daraufhin, "aber wegen 10 Cent muss man ja hier nicht so ein Theater machen..." Na gut, SchatzMausi, dachte ich, hier kommt der Text für Dich, den Du vielleicht auch verstehst und der Dich zum Verstummen bringt: "Wer den Pfennig nicht ehrt, ist die Mark nicht wert! Wenn Sie es ach so Dicke haben - wieso kaufen Sie dann Ihr Dosenbier nicht einfach im KaDeWe?"

Sowohl die Kassiererin, die bereits parallel mit der Lösung des Problems beschäftigt war, als auch ich schauten den unrasierten Dosenbierkonsumenten an, warteten auf eine Reaktion - aber: die kam nicht! Wow! Ich hatte seinen bildungsfernen Intellekt erreicht. Der Typ schwieg. Kein Mucks mehr. Und sein Intellekt wird auch nicht sensationell steigen, wenn er noch mehr des billigen Hopfentrunkes zu sich nimmt!

Um die Ungeduld dieses zottelig-ungepflegten Zeitgenossen noch weiter auszuleuchten, möchte ich meinen geneigten Leserinnen und Lesern noch sagen, dass der Einkauf des Bierfans lediglich aus einer Stiege des überbilligsten Dosenbieres bestand sowie einem einfachen Teewürstchen, einer Dose Fisch und dem günstigsten Mischbrot in Scheibchen. Er war übrigens der einzige Kunde hinter mir. Die ganze Situation spielte sich zudem am Vormittag eines Werktages ab, den ich mir frei genommen hatte. Und das, was da so dringend war, war die Droge Alkohol bzw. deren Suchtbefriedigung - Ihr Lieben, das Gesamtbild passte leider auffällig genau...

Ok, Problem des Mannes erkannt! Aber es wäre ja fatal, Ihnen mein "Problem" vorzuenthalten - schließlich wurde ich in meinem egozentrischen Individualismus dermaßen gestört, dass ich mich dazu genötigt fühle, dies zu verschriftlichen - oder? Also: eingefleischte Schokoholics - also Schokoladenliebhaber und Dauerkonsumierer - kennen meistens die Preise Ihrer legalen Drogen, sprich Schokoladen - stimmt`s? Und alle Jahre wieder wirft der Einzelhandel ab 1. September die weihnachtlichen Produkte ins Regal, obwohl der Spätsommer noch nicht mal Hallo gesagt hat, das Erntedankfest noch nicht in Sichtweite ist und die Jahreszeit Herbst völlig übersprungen wird...

So. Und in dem Supermarkt, wo es ALL-DIEse schönen Kalorienbömbchen gibt, gibt es eben auch eine eingeschworene Fangemeinde von "Baumstammfressern" - bitte schmunzeln! Na? Erwischt? Genau! Die Rede ist von einem mit Schokolade umhüllten, fetten Marzipanriegel, der da in der Mitte auch noch einen leckeren Nougatkern hat - wie genial ist das denn! Und natürlich legt sich dieser Baumstamm 1 zu 1 auf meine untrainierten Hüften - meinen Sie etwa, ich sei die Ausnahme? Wo denken Sie hin!

Tja, und an der Kasse kostet mein erster Baumstamm des Jahres dann 99 anstatt alt bekannten 89 Cent, was den Eingangssatz des Bierkäufers erklärt. Leben ist Veränderung, aber Menschen möchten gern die Gründe für Veränderungen erfahren, zumal am Regal ganz traditionell der "alte" Preis angeschlagen war und ich meine Kundenrechte sehr genau kenne (Verstoß gegen die Preisangabenverordnung mit Gruß ans Ordnungsamt - für alle, die es immer genau wissen müssen). Der Preis am Regal ist ein unverbindliches Angebot (invitatio ad offerendum - für alle Lateinfans) und der "Kaufvertrag" (verbindliches Angebot mit verbindlicher Annahme) für meinen Marzipanbaumstamm kommt dann an der Kasse zustande - oh ja! Und wenn die Preise von Regal und Kasse voneinander abweichen darf man nach erfolgter Reklamation auf Kulanz hoffen...

Die wirklich zuvorkommende Kassendame gab mir ohne Umschweife Recht, wir beide waren allerdings der Hilflosigkeit ausgesetzt: im Kassensystem war der "neue" Preis eingespeist und für den Schlüssel für eventuelle Stornos etc. hatte die Gute keine Befugnis und die dafür Befugten erscheinen ja nicht vor dem Mittagessen in der Filiale. Alles, was das Kassenfräulein machen konnte, war erst einmal das Preisschild zu entfernen... Mehr ging nicht... Und meine 10 Cent blieben in der erbarmungslosen Scannerkasse, menno...

Wissen Sie - 10 Cent - ok - Kleingeld, aber: mit 3 Cent mehr ersteht man in diesem Markt eine Frühstücksschrippe, mit 9 Cent mehr sogar einen kleinen Joghurt oder einen Pudding mit Sahnehäubchen... Was ich damit sagen möchte ist: wenn ich überall mein Geld 10-cent-weise verkleckere, dann bin ich ein Verlierer! Der Gewinner ist dann nämlich der Einzelhandel, der mit kleinen unauffälligen Preiserhöhungen, "die ja niemandem weh tun" allerdings einen Riesengewinn macht - und ich möchte einfach nicht auf meine Kosten verarscht werden! Sie ganz bestimmt auch nicht!

Nun ja. Mein Baumstamm lag auf dem Küchentisch. So richtig Lust, ihn mit einem Mal zu verputzen hatte ich nicht oder nicht mehr. Den Grund für die Preiserhöhung hätte ich dann doch schon ganz gern gewusst... Ich hatte durch die Medien mitbekommen, dass die Kakaoernte schlecht ausgefallen ist, dass bestimmte Kakaobohnensorten rar geworden sind und, dass die Arbeit auf den Kakaoplantagen immer mehr kontrolliert bzw. von Menschenrechtlern beäugt wird usw...

Ist es nun Zeitverschwendung, sich mit dem 10-Cent-Problem zu befassen? Ja! Isses! Ich komme ja eh nicht dran vorbei und ein Mitspracherecht bei der Preisbestimmung habe ich sowieso nicht. Denn ich habe lediglich 2 Optionen - kauf`das Ding zu dem Preis oder lass`es! So. Und nach dem letzten Gedankengang habe ich den Marzipanbaumstamm aber sowas von verschlungen, da träumt jeder Mann von so vernascht zu werden - bitte nochmals schmunzeln!

Hätte ich den Dosenbierkäufer eigentlich mitreden lassen sollen? Muss man heutzutage an der Kasse stets die Einkäufe der anderen kommentieren? Haben wildfremde Menschen jetzt ein Mitspracherecht bei meinem Haushaltsbuget? Hätte ich mich vielleicht genauso verloddert und mit wenigstens 2 Dosenbier an die Kasse stellen sollen, damit meine 10-Cent-Forderung erhört wird? Oder sind wir einfach mal alle Opfer des konsumorientierten Einzelhandels? Werde ich jetzt sogar regelmäßig im 10-Cent-Rhythmus verarscht werden? Und muss ich mir dann genauso regelmäßig von anderen Menschen in mein Geld reinreden lassen?

Und das ist dann auch noch die Welt, in der ich lebe? Erklär`sie mir bitte - ich find`sie nämlich blöd!

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